merz-akademie abschluss 2020


projekt "alles"



teilnehmer*innen: claudio brauchle, nava dannenhauer, tobias dolphin, felix eiler, mert ersöz, mareike gabrisch, kornelius hiby, alexandra konst, lukas kremer, jakob metzger, lena mildenberger, benjamin moroz, marta obukhova, max pflug, lea christine röwer, leon rüger, johan schwarzkopf, marius schwingel, edna syed gulam, dominique weber, florentin zinßer.



bereich: film&video, leitung: prof. peter ott



in diesem projekt sollte es um alles gehen, deshalb gab es kein festgelegtes thema, kein festgelegtes genre, keine inhaltlichen und keine formalen einschränkungen, denn wenn es um alles geht, muss auch alles erlaubt sein. verboten waren nur sätze wie: "das macht man aber so" oder "das wird nichts" oder "das gabs schon". keine idee sollte verworfen werden, denn ideen sind sowieso nur symptome, und in diesem projekt wollten wir uns eher um die prozesse kümmern. es gab also ein gewisses primat der praxis. im zweifel wollten wir uns übrigens für quantität entscheiden, denn im gegensatz zur qualität ist quantität objektiv und außerdem schlägt quantität sowieso irgendwann in qualität um. fehler sollten ok sein, aber pfusch war keine option, denn pfusch ist eine ontologische korruption.



die corona-krise hat dieses projekt, das auf ein schnelles und gemeinsames arbeiten ausgelegt war, in seinem verlauf sehr verändert. schnelles arbeiten funktionierte zwar, aber ob die vermittlung des sozialen in den videokonferenzen, die den anderen in daten komprimiert, etwas wie "gemeinsamkeit" möglich macht? das projekt läuft noch, bisher sind filme entstanden zu:



1. heimsuchung
2. 5 details
3. kettenfilme
4. écriture automatique








<< <


1. heimsuchung



am anfang des projektes haben wir erforscht, wie wir im lockdown eine gemeinsame praxis entwickeln können, dabei haben wir zunächst genau untersuchen wollen, was eigentlich das medium ist, das unter den bedingungen des lockdowns alles möglich machen und vermitteln soll. denn wie jedes medium dazu tendiert, sich selbst zum verschwinden zu bringen, so auch die telematischen – aber nur bis zur störung, denn in der störung zeigt sich das medium selber, und zeigt es sein verhältnis zur materie, und wird durch einen ungünstigen signal-rausch-abstand unklar, was im kommunikationsvorgang absicht des senders ist und was ent-äußerung des kanals selber. bei der untersuchung des rauschens und der denk- und kombinationsfehler der algorithmen, stellten wir fest, dass wir ohne weiteres dieser eigenäußerung des kanals absicht unterstellen können, und dann sind wir, in der tradition der tonbandstimmenforscher, den geistern auf der spur.






< <<









<< <



2. 5 details



die unheimlichkeit der heimsuchung hat uns von der heimlichkeit und gemütlichkeit des umgangs mit den eigenen apparaten in den eigenen vier wänden entfremdet. diese entfremdung des heimlichen hat unsere wahrnehmung geschärft und so konnten wir uns damit beschäftigen, in dieser absurden und apokalyptischen lage je 5 details zu isolieren, auf deren visuelle erzählung es uns in diesem moment und in dieser lage ankam.




< <<







<< <



3. kettenfilme



etwas, was wir vor allem in den ersten semesterwochen schon angefangen hatten, sind kurze filmische erzählungen, die irgendwo anfangen und dann immer weiter gereicht werden. aber ohne der/m nächsten in der kette zu erzählen um was es "eigentlich ging", so entstanden die kettenfilme, die von einem zum anderen immer weiter erzählt wurden, ihren erzählstrang eher selber fanden als dass sie einer "idee" gefolgt waren, sich dabei manchmal wieder auf sich selbst bezogen und material wieder aufnahmen und neu zusammen setzten.




< <<










<< <


4. écriture automatique



den erfahrungen der heimsuchung, der schärfung der entfremdeten wahrnehmung und der selbstfabulation fügten wir noch ein weiteres experiment hinzu: zunächst fingen wir jede/r (je vereinzelt in der eingeschlossenen situation) an, mit der technik der écriture automatique, dem automatischen schreiben der surrealisten, texte zu produzieren. diese texte wurden anonymisiert und per losverfahren in der gruppe verteilt, so dass jede/r projektteilnehmer*in einen doppelt fremden text bekam: einerseits, weil es der text eine*r anonymen anderen war, andererseits, weil der text von diese*r anderen schon in einem verfahren der selbstentfremdung geschrieben worden war. so entstanden wundersame filmische vignetten, die sich in unterschiedlichen strategien die fremden texte aneigneten.




< <<